Liebe Lesende,
unser Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Entscheidung zur Kostenverteilung bei Hochrisikospielen getroffen. Da ich großen Respekt vor diesem Gericht habe (und in meinem Auslandsjahr mal wieder etwas zu deutschem Recht machen möchte) versuche ich die Hintergründe dieser Entscheidung zu verstehen und erklären. Denn was man nicht vergessen darf: In diesem Gericht sitzen hochkompetente Jurist:innen, die einen Großteil ihres Lebens auf die Analyse von verfassungsrechtlichen Problemen gerichtet haben. Daher sollte man diese Entscheidung nicht direkt als Unfug und Falsch einordnen. Ich werde euch daher ein wenig durch das Urteil zu führen und die wichtigen Stellen hervorzuheben und zu kommentieren. Ich versuche, technische und komplizierte Darstellungen weitgehend zu vermeiden. Einige technische Details müssen jedoch berücksichtigt werden, um die inhaltliche Richtigkeit nicht zu gefährden.
Konkret geht es um § 4 IV 1 BremGebBeitrG (wenn ihr denkt der Titel ist lang kennt ihr deutsche Gesetze nicht). Dieser ist nicht ausschließlich auf Fußballspiele sondern auf alle Veranstaltungen "an der voraussichtlich mehr als 5000 Personen zeitgleich teilnehmen werden, wenn wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird."
Wenn euch eine andere Veranstaltung als Fußballspiele einfällt, die diese Kriterien erfüllt lasst es mich gerne wissen. Ein Einzelfallgesetz lehnt das BVerfG aufgrund des allgemeinen
Charakter des Gesetzes jedoch ab.
Weiterhin ist als Vorbemerkung interessant, dass sich in der mündlichen Verhandlung sowohl die Deutsche Polizeigewerkschaft UND die Gewerkschaft der Polizei äußern durften, jedoch keine Fanvertreter.
Nun zum Inhalt:
Zunächst wird die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde für die Klage gegen das Gesetz selber festgestellt. Hier gibt es schon einige wichtige Inhalte, denn was nicht durch die Zulässigkeit kommt, kann in der Begründetheit nicht gerügt werden.
Zunächst, für Juristen interessant, die DFL hat sich auch gegen das Urteil des BVerwG selber gewendet. 1. Semester Öffentliches Recht müsste eigentlich genügen um zu wissen: Das BVerfG ist keine Superrevisionsinstanz!
Interessanter aber ist die Begrenzung der Zulässigkeit auf Art. 12 I GG (Berufsfreiheit) und Art. 3 I GG(Allgemeiner Gleichheitssatz ) und eine Ablehnung von Art. 14 I GG (Eigentumsfreiheit). Interessant eigentlich nur deswegen, weil auch für die DFL eigentlich klar sein müsste, das Gewinne als solche nicht von der Eigentumsfreiheit geschützt sind.
Anschließend wendet sich das BVerfG der Begründetheit der übrigen Rügen zu. Grundsätzlich ist eine Begründetheitsprüfung (vereinfacht) in I. Schutzbereich, II. Eingriff, III. Rechtfertigung unterteilt.
Art. 12 I GG
Das BVerfG stimmt der DFL zunächst zu, dass ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegt, da eine objektiv berufsregelnde Tendenz vorliegt, die spezifischen Einfluss auf die berufliche Tätigkeit ausübt und die Rahmenbedingungen verändert. Soweit so logisch. Gebühren beeinträchtigen Gewinne. Damit dieser Eingriff gerechtfertigt ist, muss § 4 IV 1 BremGebBeitrG formell und materiell Verfassungskonform sein. Formell gibt es nichts zu beanstanden (auch wenn es eine interessante Disskusion über den Begriff der "Steuer" gegenüber "Gebühren" gibt, die Auswirkungen auf die Gesetzgebungskompetenz hätte). Meistens und auch hier liegt der Pfeffer jedoch in der materiellen, also grundrechtskonformen, rechtmäßigkeit. Hierbeit kommt es vor allem auf die Verhältnismäßigkeit an. Diese verlangt einen legitimen Zweck, der geeignet, erforderlich und angemessen ist.
Wichtig zum legitimen Zweck, der meistens gefunden wird, ist , dass es kein verfassungsrechtliches Gebührenerhebungsverbot im Polizeirecht gibt, solange es sich nicht um Einnahmenerzielung handelt. "Selbst eine staatliche Kernaufgabe ist nicht notwendig gebührenfrei zu erbringen." Der legitime Zweck ist die Kostendeckung für eine konkrete öffentliche Leistung. Interessant.
Die Geeignetheit und Erforderlichkeit erspare ich euch, da die verhältnismäßigkeit im engeren Sinne in der Angemessenheit ohnehin viel interessanter ist.
Die erste Annahme des BVerfG die mir augefallen ist, ist das Veranstalter:innen wirtschlaftlich besonders von Hochrisikospielen profitieren, da diese besonders viele Zuschauer:innen anziehen. Für Werder dürfte das vor allem bei ohenhin ausverkauften Stadien fragwürdig sein. Da die DFL klagt und nicht Werder spielt das hier noch keine Rolle. Da die DFL jedoch keinen Solidartopf einführen möchte und sich die anderen Vereine weigern zu zahlen profitieren hier die großen Vereine von mehr TV Geldern, während interessante Vereine die Zeche zahlen. Wie das geregelt wird bleibt abzuwarten. In der Sache ist die Annahme des BVerfG wohl aufgrund der Position der DFL richtig, jedoch meiner Meinung nach zu kurz gedacht.
"Dass die Beschwerdeführerin ihre Kosten bislang offenbar an den betreffenden Fußballverein (hier: SV Werder Bremen) weitergereicht hat, ist unerheblich."
Dann spricht das BVerfG von einem Gemeinwohlintersse an der Durchführung der Veranstaltung. Deutschland hat ein Interesse an der Durchführung von Bundesligaspielen. In Bezug darauf ebenfalls wichtig: die klare Begrenzung des Urteils auf Einsätze die über den normalen Spielbetrieb hinausgehen. Auch hier hatte es ja schon Vorstöße seitens DPolG und Konsorten (Nein nicht die Gruppierung) gegeben.
Weiterhin führt das BVerfG zur Angemessenheit der Gebühr aus, dass der Gebührengesetzgeber
hat zwar einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum hat.
Ein im Polizeirecht annerkannter Grundatz ist auch, dass die Drittverantwortichkeit eine gebührenrechtliche Verantwortlichkeit des Nichtverantwortlichen nicht ausschließt, da die DFL hier der Veranlasser ist.
Das Argument für die Angemessenheit einer Gebühr ist allerdings nicht, dass jeder Polizeieinsatz ab jetzt von dem Veranlasser bezahlt werden kann, sondern das der Zusammenhang zu dem Gewinn durch die Veranstaltung, der auch durch die Polizei gewährleistet wird die Grundlage bildet - die staatliche Leistungkommt den Schuldnerinnen und Schuldnern in besonderer Weise zugute.
"Die Tatsache, dass es sich auch bei einer Hochrisikoveranstaltung nicht um eine rechtswidrige
Tätigkeit handelt und die Veranstalterinnen und Veranstalter die Bereitstellung der
Polizeikräfte eventuell selbst nicht begehren, lässt die Kausalität weder entfallen, noch
unterbricht sie diese."
Der Staat kann leider vergangene Gewalttaten im Rahmen von Fußballspielen nicht schlicht ignorieren. Meiner Meinung nach übersieht das BVerfG hier allerdings das auch zusätzlich Polizeikräfte zu dem Gefahrpotential einer Veranstaltung beitragen.
"Die Veranstalterinnen und Veranstalter sind zugleich objektiv, ohne es beantragt oder ausdrücklich erwünscht zu haben, Nutznießerinnen und Nutznießer dieser Bereitstellung von Polizeikräften."
Ohne Evidenz einfach mal so behauptet. Karten sind bezahlt, Fernsehzuschauer sind vor dem Fernseher. Wo der wirtschaftlich Vorteil (ziehung von Nutzen) liegen soll bleibt unbeantwortet. Es wird lediglich von der sicheren An- und Abreise gesprochen.
Der Nutzen von dem das BVerfG spricht:
Zur Höhe sagt das BVerfG nur, dass sie keine unangemessene Belastung oder eine erdrosselnde
Wirkung haben darf. Interessanter Weise enthält dies keine Einschränkung über Mittel und unnötige Aufwände der Polizei wie beispielswise Helis oder Hundestaffeln.
Art. 3 I:
Der allgemeine Gleichheitssatz wird kürzer behandelt. Für mich nur interessant ist die Rechtfertigung für die Beschränkung auf mehr als 5000 Teilnehmer. Denn auch wenn es regelmäßig der Fall ist, dass gewinnorientierte Versammlungen mehr Teilnehmer haben, fällt mir hier direkt ein AFD-Parteitag ein. Politische Macht führt zu wirtschaftlichen Gewinnen, es ist ein erheblicher Mehraufwand und nicht einmal im Interesse der Gesellschaft. Trotzdem muss die Allgemeinheit für die Kosten des Schutzes der Faschisten aufkommen. Warum Faschisten bevoruzgt werden, wird hier nicht weiter erläutert.
Insgesamt ist die Entscheidung des BVerfG meiner Meinung nach in der Sache leider richtig. Mit den Grundsätzen des Polizeirechts lässt sich das Gesetz leider nicht für Verfassungswidrif erklären. Allerdings mangelt es in einigen Aspekten an einer besseren Erklärung.
Was nu?
Die Entscheidung ist zunächst auf Hochrisikospiele begrenzt. Normale Bundesligaspiele sind nicht betroffen. Weiterhin ist es nur möglich, jedoch nicht zwingen, eine Mehrkostenübertragung zu veranlassen. Es bleibt also eine politische Entscheidung. Da gilt es dagegenzuhalten. Zuletzt ist auch die DFL gefragt. Es geht nicht, dass die Vereine die für besonders hohe Werbeeinahmen sorgen (was auch durch Hochrisikospiele geschieht) auf den Kosten sitzen bleiben und Vereine wie RB sich die hohen Fernseheinnahmen einstreichen. Zusätzlich sollte die DFL ihre politische Machtposition nutzen und die Steuergelder als Druckmittel gegen solche Gesetze nutzen!
Tiocfaidh ár lá! In meinen Träumen sind wir Europacupsieger...
Euer gegengeradenbesetzer
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